Stadträumlicher Dreiklang, Wohnen, Boulevard Friedrich-Ebert-Straße, Bürgerpark Motzberg und Wohngebäude WestendTurm - Wohnen, Leben und Arbeiten in Kassels zentralem Quartier

Nominierung / Reaktivierte Zentren

Beschreibung

In zentraler Innenstadtlage entstand auf der Länge von einem Kilometer ein attraktiver Boulevard, der mit seiner Abfolge von kleinen und größeren Plätzen, seinem neuen Baumbestand und dem veränderten Straßenquerschnitt vielfältige Verweil- und Flaniermöglichkeiten schafft. Den in Ost-West-Richtung verlaufenden Boulevard kreuzt der Grünzug Motzberg, der sich mit seiner Umgestaltung zu einem von allen Generationen rege genutzten Bürgerpark mit besonderen Aufenthaltsqualitäten für das gesamte Quartier und die Stadt Kassel entwickelte. In das Konzept der Abfolge von Stadträumen unterschiedlicher Funktion und Nutzung bindet sich mit dem WestendTurm ein elfgeschossiges Wohngebäude ein, das sich in seinem Duktus auf die umgebende Bebauung der 1950er-Jahre mit ihren parkartigen Freiräumen bezieht.

Ziel

Drei Schlüsselprojekte – der Umbau der Friedrich-Ebert-Straße, die Neugestaltung des Grünzugs Motzberg und der Bau des WestendTurms – greifen stadträumlich und funktional so ineinander, dass sie als interdisziplinäre Gesamtheit zu einer urbanen, umwelt- und ressourcenschonenden Quartiersentwicklung der zentralen Kasseler Stadtteile Vorderer Westen und Mitte beitragen. Offene Beteiligungsformate bringen die Stadtgesellschaft beider Stadtteile in neue Kooperations- und Kommunikationszusammenhänge, das bürgerschaftliche und zivilgesellschaftliche Engagement für die Quartiere aktiviert sich neu, dauerhaft und zukunftsweisend. Bauliche, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Aktivitäten und Entwicklungen gestalten sich im konstruktiven Miteinander nachhaltig.

Herausforderungen

Mitte der 1990er-Jahre erreichte das direkt an der Innenstadt anliegende Quartier Friedrich-Ebert-Straße ein schleichender, scheinbar unaufhaltsamer Trading Down-Prozess. Leerstehende Ladenlokale und Büroflächen, begleitet von einer sichtbaren Verödung des öffentlichen Raumes und der stadträumlichen Gestaltungsqualität, waren die Folge. Straßenbild und Grünflächen wirkten in Teilen vernachlässigt, die für die größtenteils inhabergeführten Geschäfte wichtige Laufkundschaft brach weg und die im Stil der autogerechten Stadt gebaute Friedrich-Ebert-Straße stellte als breite Verkehrsachse eine Barriere für das Miteinander im Quartier dar. Kassel vormals begehrten zentralen Wohn-, Lebens- und Arbeitsstandort zu reaktivieren und zu neuem Leben zu erwecken, war die zentrale Herausforderung.

Kooperationen

Stadtverwaltung, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft kooperierten für die Aufnahme in das Förderprogramm „Aktive Kernbereiche in Hessen“ beispielgebend. Durch das im Stadtteil installierte Quartiersmanagement und die eingerichtete „Lokale Partnerschaft“ gab es für Bürger*innen, Gewerbetreibende, Vereine, Verbände und Institutionen jederzeit kompetente Ansprechpartner*innen und damit einen zentralen Netzwerkknotenpunkt, der projektbezogen immer wieder neue Akteurskonstellationen ermöglichte und aktiv herstellte, um Ideen und Projekte aus der Bürgerschaft zu verwirklichen und auch, um Schwierigkeiten und Herausforderungen in den vielen parallel laufenden Prozessen und Projekten auf allen Ebenen zu begegnen sowie das bürgerschaftliche Engagement zu fördern und öffentlich wertzuschätzen.

Mehrwert

Der beteiligungsoffene, von und mit Bürger*innen aller Altersgruppen entwickelte Umbauprozess war Basis für die erfolgreiche Umsetzung und hohe Akzeptanz der Bauprojekte. Es wurden neue Kommunikationsstrukturen und Netzwerke geschaffen, welche die positiven Entwicklungen im Quartier, in der Stadt und darüber hinaus bekannt machten. Über die neuen, städtebaulich sehr hohen Qualitäten hinaus entstanden u. a. über das im Förderzeitraum entwickelte Quartiersmagazin „mittendrin“ und vielfältige Aktivitäten im Quartier kooperative und nachhaltig kommunikative Strukturen. Der Bürger*innenstolz und eine neue Identität wurde erzeugt. Das Vorgehen ist hinsichtlich der Beteiligung modellhaft und stellt einen Beitrag zur lokalen Baukultur dar. Die Gewinner sind alle Bewohner*innen der Stadt Kassel.

Besonderheit

Das Zurückgewinnen reiner Verkehrsräume als für alle Nutzer*innen wertvoller Stadtraum ermöglichten Neustrukturierung und Umbau der Friedrich-Ebert-Straße. Die hohe Nutzungs- und Aufenthaltsqualität schaffte zusammen mit neuen gestalterischen Qualitäten der Straßen- und Freiräume ein bundesweit beachtetes Modell für die intelligente Revitalisierung eines zentralen Quartiers. Zusammen mit dem wohnortnahen Grünzug Motzberg und seinen vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten für Groß und Klein, wo sich mittlerweile eine emanzipierte Anwohnerschaft den öffentlichen Raum zurückerobert, und der behutsamen Innenentwicklung mit dem Neubau des WestendTurms ist das Projekt ein mustergültiges Beispiel für modernen, zukunftsfähigen Städtebau sowie für eine beteiligungsorientierte Quartiersentwicklung.