Stadt und Land sollen nicht weiter als Gegensätze diskutiert werden - Lebendige Ortsmitte von Philippsthal / Werra

Nominierung / Reaktivierte Zentren

Beschreibung

Stadt und Land sollen nicht weiter als Gegensätze diskutiert werden und das Leben auf dem Land muss einen höheren Stellenwert erhalten – das sind die Anliegen der Marktgemeinde Philippsthal. Der Ort liegt im Werratal an der Grenze zu Thüringen in einem strukturarmen Umfeld. Er hat frühzeitig begonnen, sein denkmalgeschütztes Zentrum zu entwickeln, um die Infrastruktur und wichtige öffentliche Einrichtungen zu stärken. Kommunalpolitiker gründeten einen Schlossausschuss, der die Reaktivierung des vernachlässigten historischen Zentrums von Philippsthal zu einem einladenden lebendigen Ort mit öffentlich nutzbaren Räumen vorantrieb. Das Konzept ist erfolgreich: Wohnen, Seniorenheime, Arbeiten, Kultur, Gastronomie und Fahrradtourismus im denkmalgeschützten Umfeld, eingebettet in intakte Natur.

Ziel

Ein wesentliches Ziel ist die generationsübergreifende Wiederbelebung von denkmalgeschütztem Schlosspark und Schlosshof mit vielen Aufenthaltsmöglichkeiten und Spielplätzen als Zukunftsinvestition der Marktgemeinde. Dieses erreichte Ziel bildet die Voraussetzung für einen attraktiven Ortsmittelpunkt mit kulturellen Angeboten und dem gesicherten Erhalt wichtiger Infrastruktur, wie Seniorenwohnen oder Arztpraxen. Weiterhin wurde die barrierefreie Erschließung der Gesamtanlage und die Einrichtung leistungsfähiger Infrastruktur z.B. für Fachmessen, Märkte und Feste erreicht. Die Förderung der Gemeinschaft wurde durch aktive Beteiligung der Bürger umgesetzt. Als weiteres Ziel gilt es in Zukunft die vorhandene Bausubstanz als bevorzugten Wohnstandort um das reaktivierte Zentrum zu entwickeln.

Herausforderungen

Nach einer Recherche der Zeit leben ca. 42% aller Bürger in Dörfern und Kleinstädten bis 20.000 Einwohnern. Geht die Schere zwischen arm und reich weiter auseinander, so verlieren besonders kleine Orte abseits der Metropolen an Attraktivität. Leerstand, Überalterung und fehlende Investitionsmittel sind Indikatoren für die Abwärtsspirale. Philippsthal, das als wichtige Einnahmequelle die Kaligewinnung hatte, hat mit rund 2.370 Einwohnern in der Kerngemeinde früh begonnen, die Abwärtsspirale zu stoppen. 2004 gründeten Kommunalpolitiker einen Schlossausschuss, der den Umbau des historischen Zentrums zu einem lebendigen Ort vorantreiben sollte. Die Anlage wurde zukunftsfähig gestaltet, um auch Stadtbewohner für das Leben auf dem Land zu gewinnen (bezahlbare Mieten/ Grundstücke/ KiTa-Plätze).

Kooperationen

Für die Laufzeit dieses Projektes wurde ein eigenständiger Schlossausschuss eingerichtet. Damit wurde die Stärkung der Ortsmitte von Philippsthal als wichtiges Anliegen der Gemeinde institutionalisiert. Schlossausschuss und Verwaltung steuerten die Projekte und kommunizierten deren Inhalte mit Kommunalpolitik, Anwohnern, Gewerbetreibenden, der evangelischen Kirchengemeinde, den Genehmigungsbehörden, den örtlichen Vereinen und den angrenzenden Seniorenheimen. Dies geschah stufenweise, sehr umsichtig, mit intensiver Beteiligung von Politik und Bewohnern vorwiegend aus Eigenmitteln der Marktgemeinde. Nach Abschluss der Maßnahmen wurde 2020 ein Zukunftsausschuss gegründet, der zukünftige Projekte zur Stärkung der Attraktivität und Wirtschaftsleistung der Gemeinde entwickelt.

Mehrwert

Die Gemeinschaft im Ort wurde in besonderem Maße gestärkt. Viele Bewohner konnten sich mit ihren Fähigkeiten und Ideen einbringen. Durch die Besetzung des Schlossausschusses mit Akteuren vor Ort und intensiver Beteiligung wurden alle Umbaumaßnahmen vor Umsetzung diskutiert und legitimiert. Das hat zu hoher Identifikation und Zufriedenheit geführt. Das anhaltende Engagement des Ausschusses, das parteiübergreifende Votum für das Projekt und die Kontinuität der Baumaßnahme, die in fünf Bauabschnitten über rd.12 Jahre erfolgte, hat ein Zusammengehörigkeitsgefühl gestärkt. Die neu geschaffene grüne Infrastruktur wurde bei der Fertigstellung eines Bauabschnittes stets mit einem Bürgerfest eingeweiht. Philippsthal wächst trotz seiner dezentralen Lage und ist auch bei jungen Familien gefragt.

Besonderheit

Das für eine Gemeinde mit weniger als 5.000 Einwohnern (verteilt auf mehrere Ortsteile) weitgehend ohne Fördergelder realisierte Projekt zur Stärkung der grünen Infrastruktur mit einem Gesamtvolumen von mehr als 3 mio. Euro ist bemerkenswert. Die Einrichtung eines befristeten politischen Ausschusses, der maßgeblich die Umgestaltung des Ortskerns gesteuert hat, haben wir als Besonderheit erlebt. Der Ausschuss hat parteiübergreifend die Maßnahmen in der Öffentlichkeit kommuniziert und eine hohe Transparenz erzielt. Sowohl Schwerpunktsetzung, Reihenfolge der Investitionen und Inhalte der Umgestaltung wurden nach teilweise kontroversen Diskussionen im Parlament gemeinsam verabschiedet. Diese Vorgehensweise hat in hohem Maße zur Akzeptanz und zur lebhaften Aneignung der Anlagen beigetragen.