Beschreibung
Das ehemalige Karstadt-Ensemble am Markt in Recklinghausen wurde vollständig revitalisiert und einem komplett neuen Nutzungsmix zugeführt. Nach dem Prinzip der Stadt der kurzen Wege entstand im Erdgeschoss eine Mischung aus Nahversorgung, Gastronomie, Apotheke, Zahnarztpraxis und einer Bank. In den Obergeschossen befinden sich Service-Wohnungen, kombiniert mit Kurzzeit- und Tagespflege, ein Hotel, Büroflächen und eine Kindertagesstätte. Die Fassade des alten Karstadt-Gebäudes wurde weitgehend erhalten und durch Loggien und farbige Markisen nutzungsbezogen aufgewertet. Zudem erhielt der Baukörper einen begrünten Innenhof für die Wohnbereiche, einen Dachgarten mit Gartenfenstern für die Kindertagesstätte sowie einen „vertikalen Garten“ an der Fassade am Markt.
Ziel
Das Ensemble sollte sich zu allen vier Seiten neu präsentieren und durch die Aufwertung der historischen Fassade sowie durch eine umsichtige und feinfühlige Architektur angemessener in das städtebauliche Umfeld einfügen. Der Innenhof schafft als grünes Refugium die Voraussetzung für eine attraktive Wohnlage in der Innenstadt. Zudem bieten Servicewohnen, kombiniert mit Kurzzeit- und Tagespflege, älteren Menschen die Möglichkeit, langfristig in der Innenstadt zu leben. Insgesamt soll sich der Standort zu einem neuen attraktiven Ziel am Markt entwickeln und eine Erhöhung der Fußgängerfrequenz zwischen Marktplatz, Schaumburgstraße und dem Shopping-Center Palais Vest bewirken. Das Projekt leistet somit einen Beitrag zur Stadtreparatur und Belebung des Zentrums der Stadt.
Herausforderungen
Der durch die Karstadt-Schließung 2016 resultierende Leerstand wirkte sich deutlich negativ auf den umliegenden Einzelhandel aus. Der neue Nutzungsmix bietet die Chance, das Gebäude langfristig zu beleben und es zu einem Anziehungspunkt für alle Altersgruppen in der Innenstadt zu entwickeln. Die Belebung des Marktes soll der Abwanderung des Einzelhandels in der Innenstadt entgegenwirken. Die Revitalisierung brachte auch diverse Herausforderungen mit sich. So musste eine bergbaubedingte Gebäudeabsenkung von bis zu 80 cm auf allen Geschossen ausgeglichen werden. Diese Absenkung erforderte eine zusätzliche Ertüchtigung der Stützen sowie einen statischen Nachweis über die Stabilität der historischen Natursteinfassade. Bauliche Diskrepanzen der 1920er Jahre ergänzten die Herausforderungen.
Kooperationen
Die städtebauliche Ausformulierung sowie das Mixed-Use-Konzept wurden in engem Austausch mit der Stadt Recklinghausen entwickelt, in den Bebauungsplan überführt und in verschiedenen Veranstaltungen der Öffentlichkeit und Presse vorgestellt. Noch vor Baustart und Eigentumsübergang – parallel zum Bebauungsplanverfahren – öffnete das ehemalige Warenhaus auf Initiative des Investors und nach Genehmigung durch die Stadt und den ehem. Eigentümer zum Abschied noch einmal seine Pforten und präsentierte sich ein Jahr lang als Theater mit unterschiedlichsten Veranstaltungen. So wurden die Rolltreppen Bestandteil der Bühne für eine Oper, Jazzklänge und Symphonieorchester ertönten und Lesungen oder ein Tango-Tanzkurs boten die Möglichkeit das Gebäude auf besondere Art und Weise zu erleben.
Mehrwert
Das MarktQuartier Recklinghausen stellt als Leuchtturmprojekt für die Herausforderungen und Aufgaben der Stadtreparatur, welche in Anbetracht aktueller Entwicklungen auf viele Städte in Deutschland zukommen, eine erfolgreiche Lösung dar. Es gibt keine Blaupause für die Revitalisierung und Umnutzung ehemaliger Warenhäuser, doch das MarktQuartier zeigt, dass eine erfolgreiche Umsetzung möglich ist und durch die Positionierung von Wohnnutzungen, Einrichtungen wie eine Kita und andere Dienstleistungen zu einer Reaktivierung der Innenstädte beitragen kann.
Besonderheit
Trotz der schwierigen Bausubstanz wurde das Gebäude-Ensemble nicht abgerissen, sondern zugunsten der Umweltbilanz und Klimaneutralität aufwendig saniert. Die identitätsstiftende Natursteinfassade wurde obwohl kein Denkmalschutz bestand vollumfänglich erhalten und an die neuen Nutzungsanforderungen angepasst. Als weitere Besonderheit lassen sich die multifunktionale Nutzung für Jung und Alt und die Wiederbelebung der Innenstadt durch das Schaffen von Wohnraum hervorheben. Der standortspezifische Nutzungmix schafft Synergien, welche sowohl innerhalb des Gebäudes, als auch in der Umgebung erste erfreuliche Erfolge aufzeigen. Unter Anbetracht der aktuellen Herausforderungen der Leerstandsproblematik vieler Innenstädte, kann das MarktQuartier zu ähnlichen Lösungsansätzen inspirieren.