Haus am Park – Wohnen für Alle

Nominierung / Soziale Quartiersentwicklung

Beschreibung

In bester Lage in Tübingen am Neckar in Laufweite vom Zentrum erprobt das Wohnprojekt der privaten Baugruppe Wolle+ neue Strategien und Wohnkonzepte zur Integration von Menschen unterschiedlicher Lebens- und Einkommenssituationen, sozialer Milieus und kultureller Hintergründe. Inhaltlich maßgeblich entwickelt durch den Wohnsoziologen Dr. Gerd Kuhn wird Wolle+ als sozialorientiertes Wohnprojekt unmittelbar auf den Wohnbedarf und die sozialkommunikativen Anforderungen von geflüchteten Menschen reagieren, perspektivisch jedoch das adaptive Konzept Wohnen für Alle verfolgen. Das Haus am Park bildet mit 14 Wohneinheiten den Wohnschwerpunkt. Es wird ergänzt durch den vorgelagerten Kubus, der mit einem offenen Nachbarschaftstreff die Anwohner einbezieht und einen Mehrwert fürs Quartier schafft.

Ziel

Das Projekt will durch ein breites, differenziertes Angebot eine größtmögliche Vielfalt unterschiedlicher Nutzerinnen und Akteure zusammenbringen. Nicht nur durch das gemeinsame Wohnen von Tübinger Bürgerinnen und Bürgern mit Geflüchteten unter einem Dach, sondern durch eine umfassende Teilhabe soll die Integration der Neuankömmlinge gelingen. Dabei gilt es auch die Anwohner im Quartier aktiv mit einzubinden. Das Angebot unterschiedlicher Wohntypen umfasst im Haus am Park Selbstnutzerwohnungen in der Penthouse-Etage, Wohnraum für Geflüchtete sowie Microappartements für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Eine Cluster-Wohngemeinschaft für Alleinerziehende im Kubus rundet das Spektrum ab. Der Nachbarschaftstreff ist das soziale Zentrum und steht allen für vielfältige Aktivitäten offen.

Herausforderungen

Die dauerhafte Unterbringung von Geflüchteten in großen Sammelunterkünften weit ab von den Stadtzentren widerspricht jeder Integrationsbemühung. Das Projekt stellt mit seiner Durchmischung und kleinteiligen Integration einen klaren Gegenentwurf dar, will darüber hinaus aber auch anderen Formen räumlicher und sozialer Segregation entgegen wirken und dauerhaft bezahlbaren Wohnraum für alle Bevölkerungsgruppen bieten. Der überhitzte Grundstücksmarkt muss dazu für andere Akteure aufgebrochen werden und darf nicht ausschließlich finanzkräftigen, primär renditeorientierten Investoren vorbehalten bleiben. Sonst wäre eine solch ambitionierte Sozialagenda nicht umsetzbar und die Ware Wohnen bliebe ein beliebtes Spekulationsobjekt.

Kooperationen

Ideengeber und Projektentwickler ist der Wohnsoziologe Dr. Gerd Kuhn, der die beteiligten Architekturbüros schon früh in die inhaltliche Konzeption mit einband. Yonder und SOMAA entwickeln und planen gemeinsam das Haus am Park. Für den Kubus zeichnet Simon Maier verantwortlich. Die kit jugendhilfe ist als soziale Einrichtung von Anfang dabei. Sie behält die praktischen Belange der Integration im Blick, betreut die Jugendlichen in den Microappartements, ist Ansprechpartner für den Nachbarschaftstreff und Teil der Bauherrschaft, die sich ansonsten als Baugruppe aus 13 Privatpersonen zusammensetzt. Die Stadt Tübingen vergab das städtische Grundstück im Konzeptverfahren zum Festpreis deutlich unterhalb des Marktwerts und schaffte so erst die notwendigen Voraussetzungen für das Projekt.

Mehrwert

Die vorgesehene Selbstnutzung der Flüchtlingswohnungen nach 10-15 Jahren erfordert eine robuste Grundstruktur, in der eine kleinteilige 6-Zimmer-Wohnung für 10 Personen mit geringem Aufwand zum großzügigen Loft werden kann. Diese Wandlungsfähigkeit macht das Haus am Park langfristig nachhaltig und bietet Spielraum für zukünftige Nutzungen. Neben dem alltäglich gelebten Miteinander in bevorzugter Lage tritt die Architektur selbst mit allgemeiner räumlicher Qualität, der ausgewählten Materialität und der Sorgfalt der Ausführung den Beweis an, dass hochwertiger Wohnungsbau kein Privileg für wenige sein muss, sondern zu vertretbaren Kosten für alle möglich ist – wenn nur alle wollen und der Rahmen stimmt. Es sei ein Beispiel für alle Entscheider, die dies gern als unvereinbar abschmettern.

Besonderheit

Das Interesse der Baugruppe aus mehreren Privatpersonen geht weit über das Ziel des individuellen Wohneigentums hinaus. Durch die langfristige Überlassung der Wohnungen für Geflüchtete, die dauerhafte Preisbindung bei Vermietung oder den deutlich höheren Preis bei sofortiger Selbstnutzung als Querfinanzierung über einen internen Sozialtransfer schafft hier privates Engagement mit städtischer Unterstützung einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen. Das egalitäre Gestaltungsprinzip der Architektur bricht die üblichen Hierarchien auf und erzeugt mit formaler Strenge, der Konzentration auf ausgewählte räumliche Elemente und wenige Materialien innerhalb des engen Kostenrahmens Qualitäten für alle Nutzer gleichermaßen - Wohnen für Alle als echtes Miteinander der unterschiedlichsten Bewohnergruppen.