Beschreibung
Temporäres Festivalzentrum in Hannover mit dem kuratorischen Schwerpunkt „Klimagerechtigkeit und marginalisierten Perspektiven in der Stadt“ - Mithilfe einer räumlich-künstlerischen Intervention wurde eine Disruption im städtischen Alltag erzeugt, welche die zentralen Themen und Perspektiven des Festival Theaterformen beleuchten, aus dem Theater heraus in den öffentlichen Raum und damit auch in die öffentliche Wahrnehmung gebracht hat. Kern des Entwurfs ist ein nahtlos verspiegelter Riegel aus Gerüstbauelementen. Das Bauwerk kragt an beiden Seiten einer Hochstraße über die Brücke hinaus - so entsteht der Anschein, ein Teil der Brücke würde fehlen. Ein klar monofunktional programmierter Stadtraum wurde temporär angeeignet und umgedeutet.
Ziel
Da sich Menschen die marginalisierten Gruppen angehören oft „unsichtbar“ fühlen, ihre Perspektive auf die Welt „ungesehen“ scheint und es bei dem Festival ja genau darum gehen sollte, unterschiedliche Perspektiven sichtbar zu machen, haben wir uns entschieden mittels gigantischer Spiegel einen Teil der Stadt verschwinden zu lassen, um Aufmerksamkeit auf das Projekt zu lenken. Die szenografische und narrative Kraft des Theaters sollte - im Zusammenspiel mit dieser architektonischen Intervention - kurzfristig einen Ort erzeugen, der Raum für künstlerische und aktivistische Auseinandersetzung bietet und dadurch einen Dialog mit der lokalen Stadtgesellschaft erzeugen kann, der auf mehreren Ebenen im „geschlossenen“ Raum des Theaters in dieser Form und Intensität nicht möglich ist.
Herausforderungen
Die vierspurige Hochstraße in einer Höhe von 6 m kann als Verkehrsknotenpunkt bezeichnet werden, ein anschauliches Beispiel für ein städtebauliches, überdimensioniertes Desaster auf allen Ebenen aus dem Zeitalter der autogerechten Stadt - bisher für Niemanden außer für Autos vorgesehen und zugänglich. Diesen, für alle Besucher*innen in gleichermaßen unzugänglichen Ort zu öffnen und zu bespielen, war für uns ein logischer Schritt, mit dem wir Verwaltung und das Team des Festivals überzeugen konnten. Für drei Wochen wurde diese Hauptverkehrsader für den Autoverkehr komplett gesperrt (was für viel Aufregung und Aufmerksamkeit gesorgt hat) Damit wurde die Brücke nicht nur zu einer neuen Form des Festivalzentrums, sondern auch zur öffentlichen Terrasse.
Kooperationen
Die Intendantin der Theaterformen, Anna Mülter, hat uns frühzeitig mit in ihr Künstlerisches Team geholt und so konnten wir in partnerschaftlicher Zusammenarbeit gemeinsam mit den eingeladenen Künstlerinnen eineinhalb Jahre lang in engen Austausch eine Idee entwickeln, die in Form und Funktion Bezug auf die Initiativen und Künstler*innen nimmt. Wir haben besonders gerne und intensiv mit Sophia Neises und Noa Winter zusammengearbeitet, die uns und das Festival zum Thema Barrierefreiheit beraten haben. So ist beispielsweise ein taktiles Wegeleitsystem und Lagepläne mit Brailleschrift entstanden.
Mehrwert
Die Brücke wurde zu einem gigantischen städtischen Freiraum, den sich die Stadtgesellschaft für 11 Tage aneignen konnte, besonders die Konfrontation (Man kann in Hannover den Bürgerinnen nichts mehr in den Weg legen, als auf dieser Brücke) hat tatsächlich einen Dialog mit der lokalen Stadtgesellschaft erzeugt, der auf mehreren Ebenen im „geschlossenen“ Raum des Theaters in dieser Form und Intensität niemals möglich gewesen wäre. So wurde nicht nur kurze Aufmerksamkeit, sondern in der ganzen Stadt eine Diskussion um Klimagerechtigkeit und die gesellschaftliche Rolle der Kunst entzündet und so ein länger anhaltendes Bewusstsein für marginalisierte Perspektiven geschaffen.
Besonderheit
Theater soll für alle Menschen zugänglich und ein Teil der Gesellschaft sein. Deshalb ist es besonders, wenn ein Theaterfestival so präsent im öffentlichen Raum stattfindet und auch ganz tatsächlich Raum beansprucht, der sonst eine andere Funktion einnimmt, da es so auch Menschen erreicht, die sonst nicht mit Theater in Berührung kommen würden. Die Perspektive der Betrachtenden wird durch den Einsatz der Spiegel nicht nur metaphorisch, sondern ganz tatsächlich verändert. Der Spiegeleffekt erzeugt einen optischen Bruch im Stadtgefüge und ist zugleich die architektonische Aufforderung zur Selbstreflektion.