Beschreibung
Auf einem ehemaligen Brauereigelände im gründerzeitlich geprägten Kasseler Stadtteil Vorderer Westen sollen rund 29.000 qm Geschossfläche für Wohnen und weitere Nutzungen entstehen, die weitestgehend frei finanziert und doch sozial ausgewogen sein werden. Das Projekt steht für ein Verständnis von Stadt als Möglichkeitsraum für unterschiedliche Lebensstile und Lebensbedürfnisse, differenzierte Wohn- und Arbeitsformen sowie künftige Entwicklungen und Anforderungen. Die Prozessqualität wurde durch die MQ Projektentwicklungsgesellschaft auf der Grundlage vertraglicher Vereinbarungen mit der Grundstückseigentümerin und der Stadt Kassel sowie durch Auswahl der Bau-Akteure frühzeitig gesichert und ist ein wesentlicher Baustein der angestrebten urbanen Vielfalt und städtebaulichen Entwicklung.
Ziel
Das Projekt steht für die Mischung von Nutzungen, Raumangeboten und Akteuren. Neben Wohnungen sollen auch soziale, kulturelle und gemeinschaftlich nutzbare Räume und Flächen geschaffen werden sowie Gewerbe, Dienstleistungs- und Ladennutzungen – insbesondere in den Erdgeschossbereichen. Dies dient der Vermeidung monofunktionaler Strukturen sowie der Belebung und Wertschätzung des öffentlichen Raums. Durch die frühe Einbindung sehr unterschiedlicher Akteure als Bauherren (private Baugruppe, genossenschaftliches Wohnprojekt, gemeinnützige GmbH, gemeinnützige Stiftung, Büro-Baugemeinschaft) werden individuelle Eigentums- und Wohnformen sowie Nachbarschafts- und Generationennetzwerke gefördert. Ziel ist soziale Mischung und Offenheit für Veränderung.
Herausforderungen
Vielfalt bedeutet, dass Wohnungen und Raumangebote - zur Miete oder im Eigentum - für unterschiedliche Personen zugänglich und leistbar sind: für Menschen mit unterschiedlichen Einkommen, für Menschen, die neue Nachbarschaften und das Wohnen in Gemeinschaft suchen, für Menschen mit und ohne Behinderung. Daher sind selbstbestimmte und soziale Wohnprojekte wesentliche Bausteine des künftigen Quartiers. Bei der Grundstücksvergabe wurden Akteure bevorzugt, die z. B. als Genossenschaften, Baugemeinschaften, gemeinnützige oder Wohnungsbau-Gesellschaften diese Angebotsvielfalt gewährleisten können. Der Wegfall an Arbeitsplätzen durch Umwandlung der ehemaligen Brauerei-Fläche wird durch die geplanten Nicht-Wohnnutzungen (u. a. Dienstleistungen, Läden, Praxen) kompensiert.
Kooperationen
Für die Planung und die Umsetzung wurden Spielregeln definiert, die Verbindlichkeit erzeugen für alle am Prozess Beteiligten (im Wesentlichen die für das Projekt gegründete Entwicklungsgesellschaft, die ehemalige Grundstückseigentümerin, die Grundstückskäufer, ein interdisziplinär besetztes Planungsteam, die Stadt Kassel und die Stadtteilöffentlichkeit). Es wurden z. B. Vorgaben zur Nutzung bestimmter Erdgeschosszonen als Schnittstelle zum öffentlichen Raum für gewerbliche, kulturelle oder soziale Nutzungen definiert und hohes, an den gründerzeitlichen Bestand angelehntes, Maß der baulichen Dichte vereinbart, die Stadtteilöffentlichkeit wurde von Beginn an eingebunden und im Projektverlauf beteiligt. Die auf Kommunikation basierenden Kooperationen erzeugen Beziehungen untereinander.
Mehrwert
Ein wesentlicher bereits mit dem Projektstart 2014 und im Zuge der laufenden Entwicklung des Quartiers erkennbarer Effekt ist, dass vielfältige und nachhaltige Nachbarschaften entstehen, die bereits vor der Projektumsetzung als Netzwerk funktionieren und sich aktiv in den Planungsprozess einbringen können. Das Vorgehen ist modellhaft und stellt sowohl einen Beitrag zum experimentellen Wohnungs- und Städtebau dar, als auch zur lokalen Baukultur. Dieser Mehrwert ist monetär nicht messbar, jedoch für den umzuwandelnden Gewerbe-Standort, die ehemalige Flächen-Eigentümerin, die in den Prozess eingebundenen Akteure/Grundstückskäufer, die künftigen Bewohner und insbesondere für den Stadtteil von besonderer Bedeutung.
Besonderheit
Das zunächst von Stadtplanern und Architekten entwickelte Konzept der urbanen Vielfalt konnte durch Gründung einer privaten Entwicklungsgesellschaft und frühzeitige Vereinbarung eines Kaufpreises in einem Kaufvorvertrag gesichert werden. Die einzelnen Grundstücke wurden dann nach Qualität zu Festpreisen statt nach Höchstgebot vergeben. Die hierdurch erreichte Vielfalt an Bau-Akteuren, die sich mit unterschiedlichen Perspektiven in die Planung einbringen und diese auf der Grundlage gemeinsamer Regeln umsetzen (z. B. Gewerbe, soziale oder gemeinschaftliche Nutzungen im EG), prägen die Entwicklung und Nutzungsvielfalt des Quartiers. Dies erzeugt Verbindlichkeit, Verantwortlichkeit und Stabilität und zielt auf Schaffung eines neuen Quartiers, das in den Stadtteil hinein ausstrahlt.