Beschreibung
Der 300 Jahre alte barocke Bauernhof in Heidelberg-Rohrbach stand durch schwierige Eigentumsverhältnisse und Vernachlässigung vor dem Verfall. Neun Flurstücke gehörten je zur Hälfte einer Einzelperson und einer Erbengemeinschaft von 27 Erben in drei Generationen. Die Herausforderung war, Lösungen für die Eigentumsverhältnisse zu finden und eine Bauherrengemeinschaft aus unterschiedlichen privaten Bauherren und einem offiziellen Bauträger zu bilden. Der architektonische Fokus lag auf einem sortenreinem Umgang mit alten, gesäuberten Materialien wie Stein und Holz. Dies diente ökologischen Zwecken und bewahrte den historischen Charme des Gebäudes. Die bauliche Substanz wurde hierbei als Ressource betrachtet. Die Umbaukultur manifestiert sich vor allem in Umnutzung und Materialtransformation.
Ziel
Das Ziel bestand in der Sanierung und Umnutzung der historischen Substanz – eine Revitalisierung des Kulturdenkmals „Thannscher Hof“ mittels Transformation und Weiterführung der vorhandenen Struktur. Ein zentraler Aspekt war die Einhaltung der Denkmalschutzrichtlinien, wodurch auf moderne und visuelle Anlagen wie Photovoltaik- und Wärmepumpen verzichtet werden musste. Trotz dieser Einschränkungen wurden Lösungen entwickelt, die die energetischen Anforderungen erfüllen, ohne den charakteristischen Eindruck des Ensembles zu beeinträchtigen. Besonderes Augenmerk wurde hierbei auf die nachhaltige Nutzung von Bestandsmaterialien gelegt. Diese wurden aufgewertet, wiederverwendet und in sortenreine Konstruktionen integriert, um dem Cradle-to-Cradle-Prinzip zu entsprechen.
Herausforderungen
Projekte dieser Größenordnung bringen stets zahlreiche Herausforderungen mit sich, insbesondere wenn es um die Restaurierung von historischen Baustrukturen geht, die bereits mehrere Jahrhunderte existieren. Das Prinzip der Wiederverwendung erfordert intensive Zusammenarbeit mit Fachplanern wie Historikern, Statikern und Energieplanern sowie eine direkte Bauleitung zur Sicherung der Ausführungsqualität. Zusätzlich stellten die hohen Grundstückspreise in Heidelberg und die während der Pandemie ansteigenden Baukosten neben den Auflagen des Denkmalschutzes die größten wirtschaftlichen Herausforderungen dar. Somit stand nicht der Profit im Vordergrund, sondern vielmehr die Schaffung eines neuen Zentrums mit einer nachhaltigen Balance zwischen ökonomischen und baukulturellen Aspekten.
Kooperationen
Richtungsweisend war die initiale und fortlaufend erfolgreiche Kooperation zwischen den Erben und den neuen Parteien der Bauherrenschaft. Unter der Leitung von Kochhan + Weckbach Architekten entstand in Zusammenarbeit mit dem Amt für Baurecht und Denkmalschutz in Heidelberg sowie dem Landesdenkmalamt in Karlsruhe das Konzept und die Planung zur Umsetzung. Diese wurde durch die Unterstützung des Tragwerksplaners Tragwerk HD Ingenieure sowie der Energieplanung von Acker Ingenieure realisiert. In enger Zusammenarbeit mit den Bauleitern entstand so zwischen Tradition und Innovation ein bewusster und nachhaltiger Umgang mit dem Bestand, um zeitgemäßes Wohnen zu ermöglichen.
Mehrwert
Von Anfang an war es das Ziel, eine dynamische Durchmischung der Bewohner zu erreichen. Heute leben sieben junge Familien mit vielen Kindern, Paare und Alleinstehende aller Altergruppen gemeinsam im Thannsche Hof. Die generationsübergreifende Gemeinschaft spiegelt sich im täglichen Miteinander wider. Zwischen Mandel- und Birnbäumen entfaltet sich im Innenhof als ein lebendiger, dörflicher Charakter. Das Anwesen wurde nicht nur saniert, sondern auch zu einem lebendigen Ort des Austauschs, Spielens, Essens und gemeinsamen Lebens entwickelt.
Besonderheit
Der Bau mitten in der Pandemie war zwar anspruchsvoll, aber trotz Materialknappheit und Kostensteigerung gelang es, das Projekt innerhalb von drei Jahren abzuschließen. Der Bauprozess gliederte sich hinsichtlich des Projektumfangs in vier Phasen: Stallungen, Scheune, Remise und Herrenhaus. Diese wurden im Kanon neben- und nacheinander umgebaut. Trotz zahlreicher Herausforderungen erwies sich das Vorhaben als Erfolg – nicht nur architektonisch, sondern auch durch eine gelungene Integration und Sensibilisierung der Bewohner für den Bauprozess. Gemeinsam mit der neuen Bewohnerschaft wurde als Abschluss die Außenanlage gestaltet und zu einem neuen Zentrum entwickelt.