Beschreibung
Mit dem Umbau des Chemnitzer Hauptbahnhofes sollte der Stadt- und Regionalverkehr unter einem gemeinsamen Dach zusammengelegt und der Bahnhof als Entree zur Stadt neu definiert werden. Die bestehende Bahnhofshalle aus den 1970er Jahren wurde bis auf ihre Tragstruktur zurückgebaut und im unteren Bereich geöffnet. Im oberen Bereich wurde die Fassade mit versetzt angeordneten pneumatischen Kissenelementen verkleidet. Unter diesem neuen „Stadtbaldachin“ ist ein fließender öffentlicher Raum entstanden, der sich über die Halle hinaus in den Stadtraum fortsetzt und die Bahnhofshalle mit dem städtischen Kontext verbindet. Die in die Fassade integrierte dynamische Lichtinstallation verleiht dem neu gestalteten Platz eine besondere Qualität und markiert den Bahnhof als Ort der Bewegung und Begegnung
Ziel
2006 wurde Chemnitz aus dem ICE-Netz der Bahn genommen. Das daraufhin entwickelte „Chemnitzer Modell“, das seit 2002 in mehreren Stufen realisiert wird, hat zum Ziel, den öffentlichen Nahverkehr in der Region so attraktiv wie möglich zu machen und damit die Regionen im Umland besser an die Stadt anzubinden. Das Konzept sieht die umstiegsfreie Weiterfahrt der städtischen Straßenbahnen ins Umland auf dem bestehenden Regionalbahnnetz vor. Durch die Transformation des Bahnhofs können die Straßenbahnen nun auf abgesenkten Gleisen bis in die Bahnhofshalle einfahren und Dank einer neuen Weichenanlage direkt im Hauptbahnhof auf das Netz der Deutschen Bahn wechseln. Mit der Umgestaltung des Bahnhofs erhielt die Stadt Chemnitz zugleich eine neue Visitenkarte.
Herausforderungen
Um die Weiterfahrt der Straßenbahnen auf dem Schienennetz der Bahn zu ermöglichen, waren beim Umbau der bestehenden Bahnhofshalle diverse konstruktive und topographische Herausforderungen zu lösen: So galt es, die Halle für die Einfahrt zu öffnen und die äußeren vier Gleise auf das Niveau des Bahnhofsvorplatzes abzusenken. Um die gewünschte Offenheit zu realisieren, musste die Halle bis auf die Tragstruktur zurückgebaut und ein neues Tragsystem entwickelt werden, das möglichst ressourcenschonend auf dem Bestand aufbaut. Dafür wurde die Anzahl der Stützen zunächst massiv reduziert und die verbleibenden Stützen wurden im Fundament kraftschlüssig verbunden. Zusammen mit der Unterkonstruktion für die neue Fassade verbindet sich das Tragwerk zu einer symbiotischen Einheit von Alt und Neu.
Kooperationen
Durch die sorgfältige Planung und enge Zusammenarbeit aller Planungsbeteiligten – vom Verkehrsverbund Mittelsachsen als Bauherr und Betreiber und der Deutschen Bahn als Bahnhofseigner über die Architekten und Ingenieure bis hin zum damals verantwortlichen Projektingenieur der vor über 40 Jahren erbauten Halle – konnte gemeinsam eine interdisziplinäre Lösung entwickelt werden. Das in London und Berlin ansässige Künstlerkollektiv Random International hat zudem für die LED-Fassade eine Lichtinszenierung entwickelt. Die Künstler übersetzten die akrobatische Effizienz von Vogelschwärmen auf minimalistische Weise in bewegtes monochromes Licht.
Mehrwert
Vom Chemnitzer Modell profitieren zunächst die Fahrgäste durch eine deutlich bessere ÖPNV-Anbindung und in der Folge die Stadt durch eine Abnahme des motorisierten Individualverkehrs. Durch die Umstrukturierung gewinnt der Bahnhof zudem als Verkehrsknotenpunkt und Entree zur Stadt neue Bedeutung. Aus dem ehemals verschlossenen Bahnhofsgebäude ist ein „Stadtbaldachin“ geworden, der sich weit über die Bahnsteige spannt und großzügig zur Stadt hin öffnet. Der fließende öffentliche Raum setzt sich in den Stadtraum fort und verbindet die bislang abgekoppelte Bahnhofshalle mit dem Außenraum zu einem exponierten städtischen Platz.
Besonderheit
Im oberen Bereich wurde die Fassade mit versetzt angeordneten pneumatischen Kissenelementen verkleidet. Durch die transparente Textilhülle hindurch kann das Tageslicht bis tief in die Halle eindringen. Die mattierten Kissen sorgen für eine opake Erscheinung mit Tiefenwirkung, so dass die Streben der tragenden Stahlkonstruktion von außen verborgen bleiben. Mit Einbruch der Dämmerung wird die Fassade mit schwarmartig bewegten Lichtmustern künstlerisch bespielt. Der Platz unter dem „Stadtbaldachin“ ist nachts in einladend warmes Licht getaucht. Die Illuminierung verleiht dem neu gestalteten öffentlichen Platz eine besondere Qualität und unterstreicht die zentrale Position des Bahnhofs als Verknüpfungspunkt des Stadt- und Regionalverkehrs.